Die Berliner Künstlerin Alicja Kwade (geb. 1979 Kattowitz, Polen) betitelt ihre Ausstellung im Museum Haus Esters Grad der Gewissheit und beschreibt damit eigentlich das Unbestimmte, das das menschliche Leben trotz aller Wahrscheinlichkeiten und Prognosen prägt. Mit acht Werken, die, bis auf eine Arbeit, alle neu für die Präsentation entstanden sind, entwickelt Kwade ein ebenso komplexes wie offensichtliches Netzwerk, in dem Zeit, ökonomische Prozesse und kosmologische Phänomene aufeinander bezogen sind. Die Künstlerin verwandelt dafür Alltagsgegenstände wie Lampen, Uhren, kleine Porzellanfiguren wie auch einfache Materialien durch wenige Veränderungen in kraftvolle symbolische Bilder. Man begegnet diesen vertrauten Dingen mit Erstaunen und Verwunderung. Sie fordern dazu auf, Vorstellungen von Zeit, Werten und von Zusammenhängen in der Natur auf ihre Verlässlichkeit zu überprüfen.
Truster 7 besteht aus sieben Kaiser Idell-Lampen, die der Bauhaus-Designer Christian Dell in den 1930er Jahren entworfen hat und die sich würdevoll zum Boden neigen. Die Vervielfältigung und Staffelung ein und derselben Lampe erinnert an filmische Sequenzen und ermöglicht auf diese Weise eine Vorstellung von Zeit am statischen Objekt. Die Bodenarbeit 02.07.2013 besteht aus acht Industriemetallen: Gold, Silber, Zinn, Nickel, Kupfer, Blei, Zink, Aluminium. Diese Arbeit macht ein abstraktes, flexibles Werteverhältnis wahrnehmbar: Der Wert von acht Gramm Gold, wie er am 2 Juli 2013 an der Börse dotiert war, im Verhältnis zu den anderen sieben Metallen.
Mit einer spektakulären Außenarbeit setzt Alicja Kwade zudem die Krefelder Tradition der ortsspezifischen Installationen fort. Ein Strom von 1417 Steinen rollt vom hinteren Ende des Gartens auf das Gebäude zu und dringt in den Hauskörper ein. Die Findlinge, von denen die größten etwa drei bis fünf Tonnen wiegen, werden zum Haus hin immer kleiner. Ihre Zahl entspricht den 1417 Asteroiden, die in der Nähe der Erde kreisen und von der NASA als gefährlich eingestuft wurden. Die Einschätzung der Asteroiden erfolgt auf der Berechnung ihrer Flugbahnen. Da sich durch unvorhersehbare Ereignisse die Bewegung der Asteroiden verändern kann, wird die Zahl wie auch die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenstoßes mit der Erde immer wieder aktualisiert. Im Garten von Haus Esters beschreiben sie eindrucksvoll den schmalen Grad der Gewissheit.
Im Laufe der Ausstellung (voraussichtlich Mitte November 2013) erscheint der Katalog, der die gesamte Präsentation dokumentiert; mit Texten von Vanessa Joan Müller, Robin Schuldenfrei und Sylvia Martin.
Am 21. November 2013 findet um 19.30 im Museum Haus Esters ein Künstlergespräch mit Alicja Kwade statt.