Mit der ersten Ausstellung impressionistischer Malerei in Paris wird im April 1874, vor 150 Jahren, eine neue Kunstströmung geboren. Zeitgleich sorgt die Fotografie als technische Neuerung für Faszination und erweitert das Spektrum künstlerischer Ausdrucksformen. Seither stehen sich Malerei und Fotografie in der bildenden Kunst gewissermaßen als mächtige Konkurrenten gegenüber. Gleich-zeitig prägen und beeinflussen sich die beiden Medien gegenseitig. Ebenso wie die Technik wandeln sich auch Umgebung und Lebensrealität der Menschen im fortschreitenden 19. Jahrhundert rapide. Alltägliche Szenen rücken in den Fokus der Malerei, der persönliche Eindruck, die sich je nach Tages- oder Jahreszeit verändernden Lichtverhältnisse und visuelle Stimmungen gilt es einzufangen. Aus die-ser neuen Wahrnehmung der Wirklichkeit entsteht schließlich vor genau 150 Jahren der Impressionismus. Der französische Maler und Mitbegründer des Impressionismus, Claude Monet, malt 1904 das Londoner Parlament an der Themse bei Sonnenuntergang. Er überwindet die naturalistische Farbgebung und vernachlässigt architektonische Details. So wie Claude Monet wegen seiner unkonventionellen Malweise, waren auch die ersten Künstlerfotograf:innen um 1900 umstritten. Der neue Raum im KWM erzählt die Geschichte der Werke einiger Protagonist:innen aus dieser Zeit.
Auf den Impressionismus folgend entsteht Anfang des 20. Jahrhunderts der Expressionismus als weitere bedeutende Strömung in der Kunst. Unter dem Titel Eine gefühlte Welt widmet sich ein Raum im KWM dieser progressiven Malweise, bei der es vor allem um den Ausdruck der inneren Gefühlswelt geht. Während sich in Dresden die Maler der Brücke und in München der Blaue Reiter formierten, entstand im Jahr 1913 anlässlich einer Ausstellung in Bonn eine rheinische Spielart. Unter den teilnehmenden Künstler:innen befanden sich auch die nun in einem Raum im KWM gezeigten Maler Heinrich Campendonk, Helmuth Macke und Heinrich Nauen. Alle drei stammen aus Krefeld, sind eng mit der Geschichte des KWM verbunden und gehören zu den wichtigsten Vertretern des Rheinischen Expressionismus. Der neue Raum in Sammlung in Bewegung erzählt ihre Geschichte und zeigt, wie sich die Malerei von der Leinwand löste und auf Möbel, Textilien, Glasfenster und Wände übertrug.
Ein weiterer neuer Raum auf der 1. Etage des KWM widmet sich den gestalterischen Ideen und der innovativen Formensprache der Moderne in den 1920er Jahren. Gemälde und Druckgrafik wegweisende Positionen wie Piet Mondrian (1872 – 1944), Anni Albers (1899 – 1994) und László Moholy-Nagy (1895 – 1946) sind mit Stahlrohrmöbeln von Ludwig Mies van der Rohe (1886 – 1969) und Marcel Breuer (1902 – 1981) arrangiert, die jüngst als Neuankäufe in die Sammlung der Kunstmuseen Krefeld gelangt sind. Das formale Zusammenspiel von Alltagsgegenständen und Gemälden zeigt, wie fließend die Grenzen zwischen Bild, Raum- und Objektgestaltung zu jener Zeit wurden. Es ging den Künstler:innen und Gestalter:innen um eine systematische Organisation der Mittel, einen allgemein verständlichen Ausdruck und die Reduktion auf elementare Gestaltungselemente. Auf diesen Ideen gründete auch die Lehre am Staatlichen Bauhaus, wo u.a. Marcel Breuer und Anni Albers lernten und das Ludwig Mies van der Rohe später leitete.
Ein weiterer Raum in Sammlung in Bewegung zeigt drei auf den ersten Blick sehr unterschiedliche Kunstwerke. Sie widmen sich jedoch einem gemeinsamen Thema: Stille und Kontemplation. Hier treffen ein christliches Tafelbild aus dem 16. Jahrhundert, eine japanische Buddha-Statue aus dem 19. Jahrhundert und die monochrome Malerei des englischen Konzeptkünstlers Alan Charlton (*1948, Sheffield, GB) aus den 1970er Jahren aufeinander. Der Kontrast zwischen den Bildern könnte nicht größer sein. Jedes steht für eine andere Art der intensiven Rezeption und fordert eine besondere Form der Aufmerksamkeit. Dienen die Buddha-Statue und das Tafelbild der religiösen Verehrung, so will Charlton die freie und individuelle Erfahrung durch die reine Auseinandersetzung mit dem Bild. Innere Ruhe, Konzentration, Meditation und Reflexion kommen auf unterschiedliche visuelle Weise zum Tragen. Im Raum entsteht so ein Klang der Stille.
Serielle Wiederholung und Farbkontraste – darauf basieren Günter Fruhtrunks (1923 München, DE – 1982 ebenda) Metastabile Kompositionen von 1963 wie auch das Konzept des zeitgenössischen Sofas au mètre von Designer Éric Chevallier (1979 Suresnes, FR), die gemeinsam einen weiteren neuen Raum von Sammlung in Bewegung bilden. 2023 wäre Günter Fruhtrunk 100 Jahre alt geworden. Wie die Siebdruckmappe zeigt, versteht es Fruhtrunk in den frühen 1960er Jahren, durch den Einsatz von Farbe seine Bildelemente zu einer dynamisch ausbalancierten Komposition ohne Vorder- und Hintergrund zu verbinden. Mit klaren Linien, geometrischen Formen und kontrastreichen Sekundärfarben entwickelte er in seinen Malereien und Zeichnungen eine originäre, unverkennbare Formensprache. Seine präzisen Kompositionen basieren auf Wiederholungen und rhythmisieren den Bildraum und unterliegen teils auch dem Einsatz mathematischer Methoden wie geometrischen Berechnungen und Verhältnisgleichungen. Der französische Designer Chevallier hat das Sitzmöbel mit den Polsterern Domeau & Pérès 2014 entworfen, das als Schenkung in die Sammlung der Kunstmuseen Krefeld gelangte. Das Sofa besteht aus geometrisch gleichförmigen, farbigen Modulen und ist endlos – laut seinem Titel „meterweise“– erweiterbar. Es ist aber nicht das Produkt industrieller Serienfertigung, sondern von Handwerkskunst.
Im Jahr 2020 haben die Kunstmuseen Krefeld ein neues Konzept zur Präsentation ihrer Sammlung ins Leben gerufen, das die umfangreichen Bestände dynamisch, abwechslungsreich und in vielfältigen Themen vorstellt. Unter dem Titel Sammlung in Bewegung reihen sich in den 15 Räumen auf der ersten Etage des Kaiser Wilhelm Museums 15 Geschichten wie an einer Perlenkette auf. Immer wieder entsteht ein neuer Raum, und Skulpturen, Gemälde, Fotografie wie auch Design-Objekte fügen sich zu anderen überraschenden Geschichten zusammen. Weitere Räume widmen sich thematisch u.a. Herbert Zangs, der Street Photography und der Pop Art.