„Backsteingebäude, große Fenster mit exzellenter Aussicht, teilweise möbliert, namhafter Architekt.“ Es fehlen in dieser Kleinanzeige kaum mehr als die Angabe des Miet- oder Kaufpreises und natürlich eine Chiffre, damit sie ihre Funktion voll erfüllen kann. Der Autor erlaubt sich offensichtlich einen Spaß, denn feilgeboten wird hier ein herausragendes Architekturstück der europäischen Moderne: Haus Lange in Krefeld. Bei dem „namhaften Architekten“ handelt es sich bekanntlich um keinen Geringeren als Ludwig Mies van der Rohe, der das Haus Ende der 1920er Jahre zusammen mit dem benachbarten Haus Esters entwarf. Schon mit dem Titel seiner Krefelder Ausstellung wagt John Baldessari einen subversiven Affront gegen den legendären Baumeister und gibt zugleich eine gelungene Kostprobe seines ironisch-hintersinnigen Humors.
Von John Baldessari, der 1931 als Sohn einer europäischen Einwandererfamilie im kalifornischen National City geboren wurde und heute in Santa Monica lebt, kommt eine solch heitere Intervention nicht unerwartet. Es ist vielmehr eine der großen Leistungen Baldessaris, die konzeptuelle Kunst von ihren Anfängen in der ersten Hälfte der 1960er Jahre an aus einer ironischen, durchaus witzigen Distanz entwickelt und mit einer enormen gedanklichen, bildlichen und sprachlichen Präzision verbunden zu haben. Ein beständiges Thema im Schaffen Baldessaris verdankt sich der Frage, was passiert, wenn offenbar Getrenntes, verschiedene Realitäten, Bilder oder Worte aneinanderstoßen. Die Untersuchung der Beziehung von Wort und Bild markiert dabei seit den 1960er Jahren einen wesentlichen Ausgangspunkt. Baldessaris künstlerische Subversion bricht sich in Auslassungen, Auslöschungen, Überlagerungen und Kollisionen Bahn. Indem er vorgefundene Motive an neuralgischen Stellen mit signifikanten Farben übermalt, entzieht er ihnen den ursprünglichen Sinngehalt und bringt auf der anderen Seite verborgene Kontexte zum Vorschein. In den letzten Jahren ist Baldessari verschiedentlich dazu übergegangen, seine Werke auf den konkreten Ausstellungsort hin raumbezogen zu installieren. Dazu zählt die Installation Adam and Eve (With Ear and Nose) plus Serpent im Portikus Frankfurt und die Installation im Bonner Kunstverein (beide 2007) anlässlich seiner Doppelausstellung Music in Bonn.
Seine Ausstellung im Haus Lange wurde von Baldessari als orts- und architekturbezogene Arbeit im strengen Sinne angelegt - und zwar, wie es der Künstler selbst formuliert hat, als „contra-Mies“. Ausgangspunkt war für ihn die Struktur des Gebäudes als Backsteinbau. Einerseits nimmt er Mies van der Rohes Auseinandersetzung mit dem damaligen Bauherrn auf: der vergebliche Versuch, dem Gebäude eine größere Durchfensterung zu geben und so die intendierte Vermittlung von Innen und Außen zu pointieren. Der Künstler wendet Mies' Ideen indessen gegen den Bauhausmeister, indem er die Fenster außen vollends mit Bildern von Backsteinen verschließt. Andererseits stellt er jene Verbindung von Innen und Außen überraschend wieder her, indem er auch die Innenwände mit einer Backsteintapete versieht: eine Weiterführung der Mies'schen Vorstellungen, die ebenso folgerichtig wie absurd ist! Dies wird auf die Spitze getrieben durch die Anbringung von Fotomotiven kalifornischer See- und Gebirgslandschaften auf den Innenfenstern. Als Simulacren der Mies'schen Fensteraussichten bewirken sie eine vollständige Dislozierung des Gebäudes im Innenbereich und simulieren zugleich die Verbindung zwischen dem Niederrhein und der kalifornischen Heimat des Künstlers. Eine anti-mies'sche Möblierung in Form einer Ohr-Couch, dekoriert mit zwei Blumenvasen in Nasenform (Nose Sconces), wird außen ergänzt durch ein zwinkerndes Fenster-Auge: ironische Aperçus, die der Intervention die Krone aufsetzen.
Baldessaris Rauminstallation steht in einer langen Tradition architektonischer Interventionen, die im Museum Haus Lange bis in die späten 1960er Jahre zurückreicht. Künstler wie Christo, Daniel Buren, Michael Asher, Claes Oldenburg, Iñigo Manglano-Ovalle, Shiro Matsui, Kiki Smith und viele andere sahen sich dazu herausgefordert, den Dialog mit diesem besonderen Ort der Kunst, der Architektur und der Geschichte aufzunehmen.
In Laufe der Ausstellung erscheint ein monografischer Katalog, der die Intervention umfassend dokumentiert.