Some USA Stories nennt der argentinische Maler Fabian Marcaccio (*1963, Rosario de Santa Fe, lebt und arbeitet in New York, USA) seine neueste, speziell für die Ausstellung der Kunstmuseen Krefeld entwickelte Serie von 12 Werken, die sich thematisch der dunklen Seite der jüngsten amerikanischen Geschichte widmet. Der mexikanische Drogenkrieg, das Waco-Desaster in Texas, der von Jim Jones verordnete Massenselbstmord in Guyana, das Falludscha Massaker oder die Schülermorde an der Columbine School markieren die gesellschaftliche Brisanz, die aus den monumentalen Gemälden herauszulesen ist. Wie in seinen früheren Werken und Werkgruppen ist diese inhaltliche Aussage der Arbeiten eng verknüpft mit einer Reflexion der medialen Mittel. So wird man die genannten gesellschaftlichen Themen erst bei einer Betrachtung aus räumlicher Distanz erahnen, denn die Abbilder erwachsen aus einer äußerst dicken Farbmaterie, die auch als solche präsent bleibt.
Marcaccio arbeitet in diesen jüngsten Werken mit extrem grob strukturierten Malflächen, die aus dicken Hanfschnüren und Kletterseilen geflochten werden. Die Bildgründe können daher zugleich von vorne und von hinten bearbeitet werden. Die Farbmaterie wird mitunter durch die Gitterstrukturen der Flechtwerke gepresst und interagiert solchermaßen mit den Farbpartien und den darin verwobenen Silikonapplikationen auf den Bildvorderseiten. Für die Silikonformen hat Marcaccio eine Pressmaschine erfunden, mit der er verschiedene reliefartige Elemente herstellen kann. Dieses Verfahren erzeugt eine ungeheure, geradezu monströse Präsenz, die den Betrachter physisch einnimmt. So entstehen malerische Hybride, die weder reine bildliche Illusionen werden noch konkrete Dinge bleiben - Bildwerke, die überaus prekäre Inhalte transportieren und diese gleichzeitig verändern und abstrakt werden lassen. Dieser in mehrfacher Hinsicht zwiespältige Status der Bilder rückt die Relation zwischen dem medialen Ereignis und der Bedeutung seines realen Hintergrundes in den Fokus.
Die Impulse zur medialen Selbstbespiegelung ebenso wie zur räumlichen Expansion der Malerei zeichnen sich im Schaffen Marcaccios schon früh ab. So entstehen bereits Anfang der 1990er Jahre objekthafte Arbeiten, die gemaltes Bild, modelliertes Relief und reproduzierter Druck in einem sind. Die Okkupation des realen Raumes erreicht der Maler beispielsweise auch durch das zeltartige Aufspannen mancher Bilder. Bis Mitte der 1990er Jahre arbeitet Marcaccio vorwiegend mit der Technik der Collografie, einer Form von Monotypie, bei der Reliefformen mit der Druckpresse auf den Bildträger übertragen werden. Marcaccio bezeichnet solche Werke als ‚Paintants', ein Begriff, den er aus ‚painting' und ‚mutant' zusammengesetzt hat.
Seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre produziert Marcaccio mehr und mehr Werke, in denen er mit computergenerierten Bildern operiert. So können fotografische und journalistische Elemente in seine Bildwelt einfließen. Fotos von Demonstrationen, Luftaufnahmen von Städten, aber auch extreme Verschlingungen von Mikro- und Makrostrukturen zeichnen diesen neuen Werktypus aus, in dem sich die Möglichkeiten der malerischen Tradition und der Neue Medien subversiv vermischen. Im Jahre 2002 wurde Marcaccio durch eine raumgreifende Inszenierung seiner Malerei anlässlich der documenta 11 einem breiteren Publikum bekannt.
Im Laufe der Ausstellung erscheint ein Katalog (deutsch/englisch) mit einem Text von Martin Hentschel und einer Dokumentation aller ausgestellten Arbeiten.