Vergangene ausstellung

Sherrie Levine
Pairs and Posses
Haus Lange

Eröffnung: Sonntag, 10. Oktober 2010, 11.30, Museum Haus Lange

In Anlehnung an die benachbarten ‚Zwillingsbauten' Haus Lange und Haus Esters von Ludwig Mies van der Rohe, zeigt die amerikanische Konzeptkünstlerin Sherrie Levine (*1947 Hazleton, Pennsylvania, USA) im Museum Haus Lange erstmalig einen umfassenden Überblick ihrer Werkgruppe der Pairs and Posses (Paare und Gangs), deren frühestes Werk in das Jahr 1992 datiert. Der größte Teil dieser Arbeiten, die überwiegend als Zweier- oder Dreiergruppen auftreten, entstand in den letzten zehn Jahren.

Originalität, Wiederholung, Zeit und Materialität sind zentrale Ansatzpunkte im Schaffen Sherrie Levines, die auch für die Bronze-, Glas- und Kristallsabgüsse der Pairs and Posses relevant sind. Bereits in den 1970er Jahren hatte Levine einen radikalen Schritt mit kunstgeschichtlicher Tragweite vollzogen: Anstatt wie andere Künstler unbewusst oder versteckt jenen Meistern zu folgen, die sie als künstlerische Vorbilder empfanden, machte Levine diese Beziehungen offenkundig, indem sie sie wortwörtlich ins Bild setzte. Damit stellte sie einen der zentralen Begriffe der Moderne, den der künstlerischen Originalität, geradezu auf den Kopf und schockierte damit die Kunstwelt. Indem sie etwa Werke der Heroen Monet, Duchamp, Brancusi, Matisse oder Steichen inhaltlich wie formal verwertet, schafft die Künstlerin Gegenstücke zu deren Fotografien, Gemälden, Zeichnungen und Skulpturen. Die Frage nach Wiederholung und Differenz, Kopie und Aura wird mit jeder ihrer Arbeiten neu gestellt und doch nie beantwortet.

Mit den Kleinskulpturen der Pairs and Posses bearbeitet Levine nicht allein das Feld der Moderne, das meist im Zentrum ihrer Auseinandersetzung steht; sie schafft vielmehr eine komplexe Verflechtungen zwischen alter, moderner und außereuropäischer Kunst, Naturkunde, Volks- und Gebrauchskunst. So sind die Vorbilder der Zwergenpaare aus gegossenem schwarzem Glas, gegossenem Kristall und gegossener Bronze ebenso wie einer Sparschweinfamilie im Internet bei ebay oder in Trödelläden und Antiquitätengeschäften zu finden. Diese Durchmischung der Kontexte kennzeichnet mitunter auch die Titel der Arbeiten. Eines der Zwergenpaare firmiert beispielsweise als Avant-Garde and Kitsch (2002), womit die 1939 verfasste, gleichnamige Schrift des amerikanischen Kritikers und Kunsttheoretikers Clement Greenberg herbeizitiert wird. Dass der eine Zwerg auf eine Figur von Walt Disney zurückgeht, während sein Partner seine volkstümliche Herkunft preisgibt, wirft ein ironisches Licht auf die Bestimmung von Kunst und Nicht-Kunst. Repetition and Difference (2002), dieser Titel einer weiteren Arbeit Levines ist einem Text des französischen Philosophen Gilles Deleuze entlehnt; er könnte der Vorgehensweise Levines geradezu als Motto unterlegt werden: Die Wiederholung der kulturellen Versatzstücke vollzieht sich vielfach als Übertragung in andere Materialien oder Medien.

Eine Frage, die die Zweiergruppen in der Krefelder Ausstellung aufwerfen können, hat die Künstlerin selbst formuliert: „Ist ein Paar eine Wiederholung?“ Und was geschieht, wenn die Dualität der Zweiergruppe durch einen Dritten aufgebrochen wird? Der künstlerische Diskurs greift so wie von selbst in anthropologische und psychologische Bereiche über. Von den Neugeborenen auf schwarzen Konzertflügeln, die auf einem Werk von Brancusi basieren, reicht der Blick zurück bis zum babylonischen Ishtar-Tor.

Katalog
mit einem Essay von Prof. Howard Singerman, Deutsch/Englisch, 96 Seiten, Hatje Cantz Verlag, Ostfildern, Buchhandelspreis 29,80 Euro, Museumsausgabe 25 Euro