Die beiden Landhäuser Haus Esters und Haus Lange wurden 1927/28 von Ludwig Mies van der Rohe, einem der führenden Vertreter des Neuen Bauens, als Privathäuser für die befreundeten Seidenindustriellen Hermann Lange und Dr. Josef Esters entworfen und dienen heute als Orte für die Wechselausstellungen der Kunstmuseen Krefeld.
Beide Gebäude sind weitgehend im Originalzustand belassen. Sie zeugen von Mies van der Rohes Bestrebung, eine neue Raumauffassung mit der Alltagstauglichkeit von Wohnhäusern zu vereinen: Klare rechtwinklige Formen treffen auf offene Raumfolgen und große Fenster, die das Innere mit den Gartenanlagen verbinden.
1927 erstellte der Architekt einen Grundriss für Haus Esters. Dieses Vorprojekt war der Ausgangspunkt für einen intensiven Dialog mit den beiden Bauherren. Der Entwurf wurde den jeweils individuellen Bedürfnissen der Familien angepasst. Der erste Plan zeigt einen radikal offenen Grundriss und eine Glaswand, die das Gebäude mit dem Garten vereinen sollte. Die Ideen waren visionär, doch die Bedürfnisse der beiden Krefelder Familien alltäglich und ihrem gesellschaftlichen Anspruch geschuldet. So entstanden zwei Häuser, die auf den ersten Blick sehr ähnlich sind, im Detail jedoch viele Unterschiede aufweisen. Einzelne Raumfunktionen wie die Halle als öffentlicher gesellschaftlicher Ort erinnern noch an Wohnstrukturen des ausgehenden 19. Jahrhunderts, an den Salon. Modern und funktional mutet beispielsweise der Personaleingang an, der unmittelbar neben dem Haupteingang liegt.
Haus Lange und Haus Esters gehören zum Iconic Houses Network. Das renommierte Netzwerk bietet einen internationalen Überblick über Häuser der Moderne, die heute als Museum dienen sowie Architektenhäuser, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.
Die Konstruktion der Backsteinvillen wird durch zahlreiche Stahlträger unterstützt, die zu einem großen Teil waagerecht in den Böden des ersten Geschosses liegen. Um ein vollständig autonomes Stahlgerüst handelt es sich dabei nicht. Die Backsteinhaut selbst übernimmt keine tragende Funktion. Das Stahlträgergerüst gab dem Architekten dennoch die Möglichkeit, Wände relativ frei zu setzen und große Fensteröffnungen zu schaffen. So konnten einzelne kubische Baueinheiten entstehen, die Schachteln gleichen. Im Inneren greifen die Raumsegmente ineinander über und deuten den für Mies van der Rohe typischen offenen Grundriss an – auch wenn die Räume durch Türen getrennt werden konnten.
Die beiden Häuser wurden bis 1930 fertig gestellt. Dabei hat Ludwig Mies van der Rohe nicht nur die Architektur entwickelt, sondern auch zusammen mit seiner damaligen Partnerin Lilly Reich (1885 – 1947) zahlreiche Details im Inneren gestaltet. Vom Türgriff und der Fenstermechanik über Deckenleuchten, Verkleidungen für die Heizkörper und Regalvitrinen, die in die Wand eingelassen sind, bis zu einem Möblierungskonzept war alles aufeinander abgestimmt. Für die Präsentation von Kunst in den privaten Räumen hatten Mies van der Rohe und Reich ein spezielles System aus umlaufenden Stangen und Hängeleisten sowie Sockeln aus Travertin entworfen.
Seit 1955 wird Haus Lange und seit 1981 auch Haus Esters als Ausstellungshalle für zeitgenössische Kunst durch die Kunstmuseen Krefeld genutzt. Ulrich Lange (1905-1972), Sohn des Bauherrn Hermann Lange, schenkte 1968 in einer großzügigen Geste der Stadt Krefeld sein Haus, um damit diesen Ort für zeitgenössische Kunst in Krefeld fest zu installieren.
1961 nimmt im Haus Lange eine ortsspezifische Ausstellungstradition ihren Anfang, die bis heute fortgesetzt wird. Yves Klein inszenierte im Haus mit seinen monochromen Bildern und Skulpturen Farbräume in Blau, Gold und Rosa. Ein Raum der Leere sollte den Besucher zudem in einen Zustand der Offenheit und Sensibilität führen. Seither haben sich KünstlerInnen und DesignerInnen immer wieder auf unterschiedliche Weise mit der Architektursprache der Moderne, dem privaten Haus als öffentlichem Ort, der Familiengeschichte und den gesellschaftlichen Zusammenhängen der Häuser oder dem Dialog zwischen Architektur und Natur auseinandergesetzt. Um 1970 entstanden zum Teil spektakuläre ortsbezogene Projekte von Christo, Hans Haacke, der Künstlergruppe Haus-Rucker-Co, Richard Long oder Fred Sandback. In jüngster Zeit haben John Baldessari, Rosella Biscotti, Jasmina Cibic, Elmreen & Dragset, Alicja Kwade oder David Reed Werke und Projekte in situ geschaffen. Die Geschichte der Kunst spiegelt sich an diesem Ort auf besondere Weise wider. Während in den Räumen von Haus Lange und Haus Esters ständig neue Wechselausstellungen zeitgenössischer Kunst zu sehen sind, zeigt die umliegende Parkanlage dauerhaft installierte Skulpturen.
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Im Jahre 1927 beauftragen die Krefelder Textilindustriellen Hermann Lange und Dr. Josef Esters den damals in Berlin ansässigen Architekten Ludwig Mies van der Rohe mit dem Bau ihrer privaten Wohnhäuser an der Wilhelmshofallee. Mies van der Rohe konzipiert auch die Gartenanlagen der Backsteinvillen und setzt diese in ein direktes Verhältnis zur Architektur. So erweitert er mit dem Wegesystem auf der Gartenseite die geometrische, streng recht winklige Anlage der Häuser in den landschaftlichen Raum. Durch Baumgruppen und gezielt gesetzte Solitäre werden Sichtachsen gebildet, die mit den zentralen Gartenflächen korrespondieren. Das unter schiedliche Geländeniveau gestaltet Mies durch Aufschüttungen und Stützmauern so, dass ein oberer Garten entsteht, der vom Haus ebenerdig erreicht wird. Die Vorfahrten der Häuser auf der Straßenseite bilden mit ihren ausgeprägten Rundformen dagegen einen bewussten Kontrapunkt zu den Gebäuden.
1955 stellt Ulrich Lange sein Elternhaus der Stadt Krefeld, bzw. dem Kaiser Wilhelm Museum als weiteren Ausstellungsort zur Verfügung. Der damalige Direktor Paul Wember profiliert das Haus durch ein radikal avantgardistisches Ausstellungsprogramm mit Künstlern wie Arman, Yves Klein, Jean Tinguely, Christo oder Robert Indinana bald im internationalen Kontext. Vielfach greifen die Werke und Installationen auf die Terrassen und Gartenanlagen aus. In den 1970er Jahren kann die Stadt Krefeld Haus Esters erwerben, das 1981 als weitere Dependance der Kunstmuseen Krefeld eröffnet. Von nun an werden gezielt Arbeiten für die Gärten angekauft oder in Auftrag geben. Ein großer Teil der Werke wird unmittelbar für den Ort ihrer Aufstellung konzipiert. Sie treten dabei mit der Architektur sowie mit deren ästhetischen, philosophischen oder gesellschaftlichen Hintergründen in Dialog. Diese direkte Orts- und Kontextbezogenheit von Kunst zeichnet bis heute die Ausstellungen in den Häuser Lange und Esters aus.
Seit 1955 wird Haus Lange und seit 1981 Haus Esters als Ausstellungshalle für zeitgenössische Kunst durch die Kunstmuseen Krefeld genutzt.
Ulrich Lange, Sohn des Bauherrn, schenkte das Haus Esters 1966 der Stadt Krefeld als Ort zeitgenössischer Kunstproduktion. Seitdem erhalten junge Künstler:innen hier die Gelegenheit, sich mit der Architektur auseinanderzusetzen und vor Ort Arbeiten zu realisieren. Alexander Calder und Yves Klein gehörten um 1960 zu den ersten, die vor Ort Ausstellungen entwickelten, es folgten u. a. Jan Dibbets, Sol LeWitt, Richard Long oder Fred Sandback. In jüngerer Zeit sind es Künstler:innen wie John Baldessari, Elmgreen & Dragset, Alicja Kwade oder David Reed, die die Tradition fortsetzen.