Forschung

Der Reichtum der Epochen und Gattungen und die wechselvolle Geschichte des Hauses bieten vielfältige Möglichkeiten für Forschungsprojekte. Regelmäßig werden Sammlungskonvolute, darunter auch Künstlernachlässe, kunsthistorisch aufgearbeitet und einzelne Aspekte der Museums- und Sammlungsgeschichte neu beleuchtet.

Erstprüfung des ethnografischen Objektbestands der Kunstmuseen Krefeld auf koloniale Kontexte

Der ethnografische Objektbestand der Kunstmuseen Krefeld – ein Erstcheck zu kolonialen Kontexten

Die Sammlungen der Kunstmuseen Krefeld umfassen einen kleinen Bestand an sogenannten ethnografischen Objekten außereuropäischer Herkunft, die vermutlich zwischen 1900 und 1930 im Kontext des europäischen Kolonialismus und der deutschen Kolonialgeschichte ihren Weg nach Krefeld fanden. Gegründet im Jahr 1897, verfolgte das Kaiser Wilhelm Museum zu dieser Zeit ein Sammlungs- und Ausstellungsprogramm, dass volkstümlicher Kunst einen besonderen Stellenwert zuschrieb. „Volkskunst“, zu der auch kulturelle Erzeugnisse afrikanischer, asiatischer und ozeanischer Gesellschaften gezählt wurden, sollte der lokalen Kunst und Designproduktion als Quelle der Inspiration dienen. In diesem Rahmen wurde auch eine Reihe von Gegenständen aus Afrika, Süd- und Ostasien sowie Ozeanien, meist über den Kunsthandel, erworben. Beispiele sind die Erwerbung von Textilien anlässlich der „Niederländische-Indischen Ausstellung“ im Jahr 1906 sowie der Ankauf von Ritualobjekten aus der Region des heutigen Papua-Neuguineas für die Ausstellung „Farbe“, die 1928 gezeigt wurde. Eine Anzahl verschiedenster Flechtarbeiten bildet den weitaus größten Teil des ethnografischen Objektbestands. Sie gelangten durch die Übernahme des Kernbestands des „Deutschen Museums für Kunst in Handel und Gewerbe“ in den 1920er Jahren in die Museumssammlung.

Dieser bisher nur unzureichend dokumentierte Objektbestand soll von Oktober 2022 bis April 2023 in einem vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste finanzierten Projekt zunächst vollständig erfasst und verzeichnet werden. Darüber hinaus sollen die gesellschaftlichen Kontexte ermittelt werden, in denen die Objekte entstanden, und den Umständen ihrer Aneignung nachgegangen werden. Aufgedeckt werden soll damit die Bedeutung kolonialer Kontexte für die Umwandlung von Textilien, Flechtarbeiten und Ritualgegenständen in Museums- und Kunstobjekte. Zugleich wird so auch die Rolle dieser Objekte in der Geschichte des Museums näher bestimmt. Im Idealfall deckt das Projekt Provenienzketten auf, die bis zur Aneignung im Herkunftsland reichen, und identifiziert gegebenenfalls sensibles Sammlungsgut.
Die Ethnologin und Historikerin Gesa Grimme, Berlin, hat die Erforschung übernommen.

Die Ergebnisse des Projekts werden in einem Abschlussbericht zugänglich gemacht. Zudem werden die Projektergebnisse in die Präsentations- und Publikationsreihe der Sammlungssatelliten und in das Forschungsprojekt „Karl Ernst Osthaus und sein Deutsches Museum für Kunst in Handel und Gewerbe“ miteinfließen.

Maske, Hersteller*in nicht dokumentiert, Papua-Golf, Papua-Neuguinea, Ankauf über J. F. G. Umlauff 1928.
Maske, Hersteller*in nicht dokumentiert, Papua-Golf, Papua-Neuguinea, Ankauf über J. F. G. Umlauff 1928.
Steinskulptur, Hersteller*in nicht dokumentiert, Herkunft undokumentiert, im Museum seit ca. 1930.
Steinskulptur, Hersteller*in nicht dokumentiert, Herkunft undokumentiert, im Museum seit ca. 1930.
Räuchergefäß, Hersteller*in nicht dokumentiert, Japan, Erwerb durch Krefelder Museumsverein vor 1900.
Räuchergefäß, Hersteller*in nicht dokumentiert, Japan, Erwerb durch Krefelder Museumsverein vor 1900.
Korb, Hersteller*in nicht dokumentiert, Sudan, Bestand "Deutsches Museum für Kunst in Handel und Gewerbe", im Museum seit 1923.
Korb, Hersteller*in nicht dokumentiert, Sudan, Bestand "Deutsches Museum für Kunst in Handel und Gewerbe", im Museum seit 1923.

Deutsches Museum für Kunst in Handel und Gewerbe

Im Jahr 1923 gelangte ein bedeutender Bestand der angewandten Kunst an das Kaiser Wilhelm Museum: Das „Deutsche Museum für Kunst in Handel und Gewerbe“ (DM). Bei dem umfangreichen Konvolut handelt es sich um eine Mustersammlung für vorbildliche Gestaltung, die das breite Publikum zu gutem Geschmack erziehen und gleichzeitig im Sinne des Gesamtkunstwerkes sicherstellen sollte, dass die proklamierte neue Ästhetik Einzug in den Alltag hielt. Der bedeutende Hagener Mäzen und Sammler Karl Ernst Osthaus hatte zwischen 1909 und 1919 die Sammlung mit finanzieller und ideeller Unterstützung des Deutschen Werkbundes zusammengetragen. Neben seinem 1902 gegründeten Museum Folkwang spiegelte das neue Projekt noch innovativer und radikaler den Geist einer neuen Zeit. 1923, nach Osthaus’ Tod, erfolgte der Ankauf durch den Krefelder Museumsverein und wurde 1928 als Schenkung an die Stadt übergeben. In den Augen des damaligen Direktors und engen Freundes von Osthaus, Max Creutz, ergänzte es perfekt das im Geist der Reformbewegung entstandene innovative Museumskonzept des Kaiser Wilhelm Museums.

Das 100-jährige Jubiläum des Erwerbs ist Anlass, eine vollständige Bestandsaufnahme der Sammlung des Deutschen Museums durchzuführen und sich erneut wissenschaftlich und aus aktueller Perspektive mit dem Bestand auseinanderzusetzen. Das Deutsche Museum für Kunst in Handel und Gewerbe ist mit seinem mehrere tausend Arbeiten umfassenden Bestand die vielleicht erste Sammlung zeitgenössischen Designs überhaupt. Bis heute bildet sie den Kern der Museumssammlung im Bereich der angewandten Kunst.

Der in der Nachkriegszeit in Vergessenheit geratene Bestand wurde in den 1980er und 1990er Jahren bereits für die Ausstellungsprojekte Der westdeutsche Impuls sowie Das Schöne und der Alltag in Teilen bearbeitet und publiziert. Erstmals wird das Konvolut nun als Ganzes einheitlich inventarisiert, restauriert, fotografiert und digitalisiert. Bei den bislang nicht erfassten Werken handelt es sich vor allem um den großen Bestand der sogenannten Akzidenzdrucke, die mit Werbeanzeigen, Geschäftspapieren, Visiten- und Speisekarten, Schriftmusterbüchern, Einladungen, Postkarten etc. ein kulturgeschichtliches Panorama bilden.

Im Zuge der Erfassung wird der fragile Bestand der Papierarbeiten nicht nur restauriert und somit für die Zukunft konserviert, sondern auch in digitalisierter Form archiviert. Die Digitalisate ermöglichen, die Erkenntnisse nachhaltig für die Forschung zu sichern und stehen für zukünftige Fragestellungen zur Verfügung. Für moderne Wissensvermittlung im digitalen Zeitalter können sie ebenso genutzt werden.

Die Erfassung ermöglicht es ebenso, einen Überblick über sämtliche künstlerischen Persönlichkeiten zu gewinnen, die Osthaus in sein Deutsches Museum integrierte. So lassen sich neben berühmten Namen wie Peter Behrens, Henry van de Velde, Lucian Bernhard, Fritz H. Ehmcke oder Richard Riemerschmid auch fast in Vergessenheit geratene Künstler*innen nennen, die anhand des Bestandes als wichtige Protagonist*innen der Moderne identifiziert werden können. So sind etwa, um erste Beispiele zu nennen, Johannes Weidenmüller als Urahn der deutschen Werbewissenschaft, die Berlepsch-Schülerin Maria La Roche oder Elisabeth Stephani-Hahn als Pionierin der Schaufenstergestaltung dabei. Sie und ihre Mitstreiter*innen schufen die Grundlagen der bis heute gültigen Vorstellungen von Konsumkultur, Werbung und Marketing. Die für November 2023 geplante Ausstellung und der dazu erscheinende Katalog werden die Forschungsergebnisse nutzen, um das Deutsche Museum mit seinen innovativen Impulsen für eine zeitgenössische Sammlungs-, Museums- und Vermittlungstätigkeit zu beleuchten.

Alfred Messel  
Warenhaus Wertheim, Berlin, 1896/1905  
Erster Bauabschnitt, Lichthof  
Fotografie, angefertigt vom Institut Dr. Franz Stoedtner  
Kunstmuseen Krefeld
Alfred Messel
Warenhaus Wertheim, Berlin, 1896/1905
Erster Bauabschnitt, Lichthof
Fotografie, angefertigt vom Institut Dr. Franz Stoedtner
Kunstmuseen Krefeld
J.L.M. Lauweriks  
Kanne, 1912  
Silber, Opale  
Hagener Silberschmiede, Hagen  
Kunstmuseen Krefeld
J.L.M. Lauweriks
Kanne, 1912
Silber, Opale
Hagener Silberschmiede, Hagen
Kunstmuseen Krefeld
Peter Behrens  
AEG Metallfadenlampe/Zirka ein Watt pro Kerze, 1907  
Druck: Hollerbaum & Schmidt, Berlin  
Farblithographie  
Kunstmuseen Krefeld
Peter Behrens
AEG Metallfadenlampe/Zirka ein Watt pro Kerze, 1907
Druck: Hollerbaum & Schmidt, Berlin
Farblithographie
Kunstmuseen Krefeld
Ludwig Hohlwein  
Kaffee HAG, 1913  
Druck: Hollerbaum & Schmidt, Berlin  
Farblithographie  
Kunstmuseen Krefeld
Ludwig Hohlwein
Kaffee HAG, 1913
Druck: Hollerbaum & Schmidt, Berlin
Farblithographie
Kunstmuseen Krefeld

Provenienzrecherche Mondrian

Dr. Katja Terlau
Dr. Vanessa-Maria Voigt

Die Stadt Krefeld besitzt vier Gemälde des niederländischen Künstlers Piet Mondrian (1872–1944) mit den Bezeichnungen „Tableau No. VII“, „Tableau No. X“, „Tableau No. XI“ (alle 1925) und „Komposition IV“ (1926). Sie gehören zur Sammlung der Kunstmuseen Krefeld. Nachfahren des Mondrian-Erben Harry Holtzman haben die Herausgabe der Kunstwerke gefordert.
Um zu klären, ob diese Forderung rechtlich begründet ist, hat die Stadt Krefeld die beiden Provenienzforscherinnen Dr. Katja Terlau und Dr. Vanessa-Maria Voigt damit beauftragt, die Herkunft der Bilder zu prüfen.

Zwischen Juni 2018 und Mai 2019 haben die Wissenschaftlerinnen im In- und Ausland die Spur der Gemälde seit den 1920er-Jahren nachverfolgt, Archivmaterial ausgewertet und mit Experten gesprochen. Dabei sind sie auf keine Hinweise gestoßen, die darauf deuten, dass sich die Werke rechtswidrig im Besitz der Stadt Krefeld befinden könnten.
Die Zusammenfassung des Dossiers der Wissenschaftlerinnen erläutert die Erkenntnisse im Einzelnen.

Die Mondrian-Gemälde Tableau No. VII, Tableau No. X, Tableau No. XI (alle 1925) und Komposition IV (1926) im Kaiser Wilhelm Museum, Ausstellung "Von Albers bis Zukunft" (2019), Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Andreas Bischof
Die Mondrian-Gemälde Tableau No. VII, Tableau No. X, Tableau No. XI (alle 1925) und Komposition IV (1926) im Kaiser Wilhelm Museum, Ausstellung "Von Albers bis Zukunft" (2019), Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Andreas Bischof
Die Mondrian-Gemälde im Kaiser Wilhelm Museum, Ausstellung "Von Albers bis Zukunft" (2019), Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Andreas Bischof
Die Mondrian-Gemälde im Kaiser Wilhelm Museum, Ausstellung "Von Albers bis Zukunft" (2019), Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Andreas Bischof